„Mensch, wollen wir uns nicht noch auf einen Glühwein treffen vor Weihnachen?“ „Wir müssen uns dieses Jahr unbedingt noch sehen!“ „Schaffen wir es noch vor dem 24.12.? Oder wenigstens noch irgendwie zwischen den Jahren?“ Solche Nachrichten häufen sich in diesen Tagen. Auch wenn man es seit dem Sommer nicht hingekriegt hat, sich zu treffen – jedes Jahr kurz vor Weihnachten entsteht die gleiche Hysterie, als ob danach die Apokalypse bevorstehen würde.
Dabei drehen sich die Zeiger immer schneller. Oh, ich hab gerade erst gelesen, dass immer weniger Grundschulkinder die analoge Uhr kennen. Wie schade, bald werden die sich drehenden Zeiger als Metapher nicht mehr herhalten – ist nur noch eine Frage der Zeit. Aber für Melancholie hab ich jetzt gar keine Luft, denn Weihnachten steht vor der Tür und es gibt ja noch sooo viel zu erledigen.
Da ist nämlich noch dieser Wellness-Gutschein, den wir von meiner Schwester und meinem Schwager zu Weihnachten geschenkt bekommen haben, als das Baby frisch geboren war. Spa-Besuch für die erschöpften Eltern gekoppelt mit Babysitting durch die lieben Schenkenden. Das Baby ist nun 3 Jahre alt und der Gutschein verfällt in dieser Woche. Zwischen letzten Jobterminen, kurzfristigen E-Castings und Klingelingeling ist absolut keine Zeit für einen Spa-Besuch. Aber der muss natürlich reingequetscht werden, es gibt keine Alternative.
Mein Horrorgedanke: Dass es Leuten aus dem beruflichen Umfeld, vielleicht sogar Auftraggebern, genauso wie mir gehen könnte und wir im Spa plötzlich nackt voreinander stehen. Diesen Gedanken schiebe ich schnell weg. Im Pool werde ich leider nicht schwimmen können, denn den darf man nur nackt benutzen. Und ich plane auch schon, zur Sicherheit in der Sauna ganz oben in der hintersten Ecke zu sitzen, dort wo es am heißesten und dunkelsten ist.
Wir bringen unsere Tochter schnell zu Tante und Onkel. Sie staunt über deren wunderschön illuminiertes Haus. „Ihr habt noch keine Weihnachtsbeleuchtung?“ fragt mich meine Schwester ungläubig. „Nicht mal einen Weihnachtsstern oder irgend eine Deko?“ Nein, nichts. Die bei REWE gekaufte Mini-Nordmanntanne ist noch im Netz – aber immerhin nicht mehr im Kofferraum, sondern vor der Wohnungstür. Meine Schwester schenkt ihrer Nichte mitleidig zwei Deko-Weihnachtsmänner und holt einen LED-Lichterkranz aus einer XXL-Tüte voller Weihnachtsdeko, für welche sie keinen Platz mehr hatte.
Nun sind wir endlich nach drei Jahren im Spa. Ich habe bereits vier Power-Saunagänge innerhalb von zwei Stunden hinter mir, mit Aufguss-Zeremonien von „Frischehauch“ über „5 Elemente“ bis zur „Asiatischen Duftreise“.
Auf einem Sofa lümmelnd starre ich ins lodernde Kaminfeuer. Die erste Stunde im Wellness-Tempel haben mein Freund und ich damit verbracht, uns zu suchen. Ich war zuletzt vor Corona hier und habe vergessen, wie weitläufig das balinesische Spa-Gelände ist. Er trägt wegen der Sauna Kontaktlinsen und sieht komischerweise nur auf einem Auge. Ich bin kurzsichtig und trage aus Eitelkeit keine Brille und wegen Tolpatschigkeit keine Linsen. Ich sehe eigentlich alles wie unter einem „Blur Filter“. Deshalb lächele ich wohl oft leicht entrückt und brauche mich nicht zu wundern, dass der Mann im Sessel neben mir sich immer wieder zu mir dreht und mich anlächelt. Ich habe meinen Freund an seinem roten Bademantel erkannt. Bei meinem Sehvermögen hätte ich aber auch an den Weihnachtsmann geraten können.
Der Platz vor dem Kaminfeuer gefällt mir so gut, dass ich hier für den Rest des Tages verweilen könnte. Auf Wellen oder Flammen schauen könnte ich stundenlang.
Aber der nächste Termin ruft. Letzte Sprachaufnahmen in diesem Jahr.
Froh darüber, dass ich niemand Nacktes getroffen habe, den ich kenne, eile ich zu meinem Lieblings-Tonstudio in einem komplett anderen Teil der Stadt. Ein Hörspiel für die Charité. Ich bin Dr. Gurski, eine junge Anästhesie-Ärztin. Die Herausforderung ist, die vor medizinischen Fachbegriffen nur so wimmelnden Texte so locker und umgangssprachlich zu sprechen, als ob ich nie etwas anderes getan hätte. Mama wird sich freuen: Ich bin zwar nicht in ihre Fußstapfen getreten und habe Medizin an der Charité studiert, aber hey – zumindest auditiv habe ich gerade die Facharztprüfung bestanden. Aaah, ich hab noch keine Weihnachtsgeschenke. Wo könnte ich nach dem Tonstudio am schlauesten hinfahren oder finde ich noch online Konzert- oder Theaterkarten für Januar? Mist, bestimmt alles ausgebucht. Oder vielleicht Gutscheine für das balinesische Spa? Bingo!
„Saskia?“ Die Stimme des Tonregisseurs unter meinem Kopfhörer bringt mich zurück ins Hier und Jetzt.
Viele schöne „Hier und Jetzt“-Momente in einer lichtvollen Weihnachtszeit wünsche ich Euch! Kommt geschmeidig und strahlend in ein fantastisches 2025! Danke für Eure treue Leserschaft und die inspirierenden Kommentare auf den verschiedenen Kanälen. Wir sehen uns im neuen Jahr wieder. Alles Liebe, Eure Mitteschnitte.
Schön, dass ich noch vorm Schlafen-gehen hier vorbeigeschaut habe: nach sooooo viel Lachen schlafe ich bestimmt gut ein 😂😂😂
– Apokalypse-Effekt: Jetzt, wo du das sagt: stimmt genau 🙂
– Aussterbende Analoguhren: auch „Die Uhr tickt“ und „Kurz vor zwölf“ funktionieren nicht mehr 😉
– Spa-Besuch: Einfach genial 😂😂😂
– Hörspiel: Lass mich wissen, wenn ihr irgendwann einen Dr. Amani als Chefartz sucht
Euch eine besinnliche und harmonische Weihnachtszeit und dir erholsame mittwochfreie Wochen 😎
Lieber Aras, ganz lieben Dank 😃 Mensch stimmt, wo ich so deine Analog-Uhren-Sprüche lese: Die biologische Uhr kann ja dann auch nicht mehr ticken!! 😂😅
Chefarzt Dr. Amani empfehle ich gerne dem Hörbuch-Tonstudio meines Vertrauens 😄
Euch auch eine besinnliche und erholsame Weihnachtszeit! 🎄 Salam ve shad bemanid 💝
„Ich habe meinen Freund an seinem roten Bademantel erkannt. Bei meinem Sehvermögen hätte ich aber auch an den Weihnachtsmann geraten können.“ 🙂
Wegen Endjahres-Stress-bedingter Erschöpfung bin ich leider unfähig, einen sinnstiftenden Kommentar zu hinterlassen.
Liebe Gaga, ich danke dir für alle sinnstiftenden, inspirierenden und vor allem erheiternden Kommentare, die du seit der Taufe der Mitteschnitte Ende August hinterlassen hast! 🫶🏼
Bitte klapp den Laptop zu – da du ja, was ich sehr bewundernswert finde, ohne Smartphone leben kannst, brauche ich dir jetzt keinen Flugmodus empfehlen – gönne dir einen herrlich kalten Weißwein oder einen wohlig warmen Kakao und geniiieße die Ruhe 🙌🧘♀️😍