„Lass uns mal auf einen Kaffee treffen“. Klappt bei mir nicht. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wann ich mich zuletzt auf einen Kaffee getroffen habe. Es müsste morgens früh um 7:30 Uhr sein, aber da habe ich andere Sachen zu tun. Auch am Vormittag. Auch am Nachmittag. In dieser Zeitspanne trinke ich Unmengen von Kaffee so nebenbei. Ich verabrede mich hingegen gerne auf einen Wein. Mein Unterbewusstsein glaubt von vornherein, dass Dinge, die man bei einem Wein bespricht, interessanter sind als Gesprächsthemen bei einem Kaffee. Was man beim Kaffee besprechen will, scheint mein Unterbewusstsein als belanglos abzustempeln. Heute ist Internationaler Tag des Kaffees. Seit 2015 findet er an jedem 1. Oktober statt, festgelegt von der in London ansässigen International Coffee Organization, welcher 77 Mitgliedsstaaten angehören. Am liebsten trinke ich Filterkaffee. Schwarz. Gerne auch Instantkaffee. Schwarz. Und nur heiß – bei 69,9 Grad Celsius abwärts wird er weggeschüttet. Honoré de Balzac trank bis zu 50 Tassen Kaffee am Tag. Auch schwarz. In Sachen Koffein lag er bei der zehn- bis fünfzehnfachen Menge der heutigen Höchstempfehlung. In New York war ich begeistert von der Refill-Option in vielen Cafés. Filterkaffee bis zum Abwinken. Die Stadt, in der Balzac wahrscheinlich nie mehr eingeschlafen wäre.
Niiiemals trinke ich Kaffee aus großen Tassen. Wenn mir jemand Kaffee in einem großen Pot anbietet, renne ich schreiend weg. Meine bevorzugte Kaffeetasse: Fassungsvermögen 150 ml und nur in zylindrischer Form. Und niiiemals aus dem Glas. Wenn ich einen Kaffee als „Tante Inge-Kaffee“ bezeichne, ist das ein Kompliment. Ich hatte als Kind eine entfernte Tante namens Inge und wenn die zum Streuselkuchen Filterkaffee brühte, roch die ganze Stube so herrlich nach den Bohnen. Eine meiner liebsten Theaterrollen, die ich gespielt habe, war die Großmutter in „Räuber Hotzenplotz“. Sie schwärmt verständlicherweise für Bohnenkaffee mit Pflaumenkuchen und Schlagsahne. Aber auch Kaffee mit dunkler Schokolade ist für mich ein unschlagbares Duo. Kaffee mit Zigaretten würde ich nicht runterkriegen. Obwohl ich das englische Sprachduo „coffee and cigarettes“ sexy finde und sehr empfänglich dafür bin, wenn es in Songtexten, Buch- oder Filmtiteln auftaucht. Kaffeepackungen sind ja sowas von schweineteuer geworden. Interessant, dass mittlerweile prämierter Rotwein billiger zu haben ist als mieser Kaffee.
Ich erinnere mich daran, dass Kaffee auch in meiner DDR-Kindheit ein kostbares Gut war. Am „Tag des Lehrers“ – damals fester Termin im Schulkalender am 12. Juni – bekamen die Lehrer und Lehrerinnen von ihren Schülern kleine Geschenke wie Blumen, Selbstgebasteltes, Schokolade – und Kaffee. Meine Eltern gaben mir mal für meine Klassenlehrerin Frau Harnack eine Packung Rondo-Kaffee mit. Kaffee war knapp und wertvoll und Rondo galt als gute DDR-Kaffee-Marke. Ich erinnere mich, wie Frau Harnacks Augen geleuchtet haben, als ich ihr die blau-weiße Packung überreichte. Rondo hat die Wende zwar überlebt, wurde aber 1990 von Melitta übernommen.
Einen Großteil meiner Magisterarbeit vor vielen Jahren habe ich im Coffeeshop des Auswärtigen Amts geschrieben. Den gibt es leider nicht mehr. Ich wohnte damals schräg gegenüber und fühlte mich anscheinend schick, zwischen Diplomaten aus aller Welt an meinem Laptop zu tippen und dabei Kaffee aus fernen Ländern zu trinken. Manchmal gönnte ich mir dort eine Packung feinster Röstbohnen aus Tansania oder Panama. Heute ist stinknormaler Supermarkt-Kaffee teurer als der Edel-Kaffee damals im Außenministerium. Aber noch immer entsteht – zumindest in meinem Kiez – gefühlt alle zwei Wochen ein neuer Coffeeshop. Die Wachstumsrate der Kaffeeröstereien in Berlin-Mitte übertrifft vermutlich die Geburtenrate in ganz Berlin.
Meine Urgroßtante Gretchen lud bis ins hohe Alter ihre ebenfalls uralten Freundinnen zum Kaffeeklatsch. Manchmal war es zur Feier des Tages die edle „Jacobs Krönung“, die Tante Gretchen von ihren in West-Berlin lebenden Schwestern geschenkt bekommen hatte. Zum Bohnenkaffee aus goldumrandeten Porzellantassen gab es Bienenstich und Liebesknochen (Eclairs). Ich fand das schon als kleines Kind toll und hab mir damals vorgenommen, das mit meinen Freundinnen genauso zu machen, wenn ich alt bin. Ich freue mich auf meinen Kaffeeklatsch im Seniorenalter, weiß aber schon jetzt, dass wir Omis danach zu Wein oder Gin übergehen werden. Um hier mit Giuseppe Verdí zu schließen: „Kaffee ist Balsam für Herz und Seele.“
Eine meiner Superkräfte ist, auch bei Lebensmitteln herauszufinden, wo es die höchste Qualität zum kleinsten Preis gibt. Wie Du schon sagst, haben die Kaffeepreise ganz schön angezogen, ich würde mal sagen ein Drittel teurer als noch vor ca. drei Jahren. Früher kaufte ich immer Arabica-Espresso-Kaffeepulver diverser italienischer Marken, oft war Lavazza im Angebot. Dann bin ich nach den stolzen Preiserhöhungen umgeschwenkt auf die REWE-Eigenmarke von Espresso, hat genauso geschmeckt, war aber günstiger. Inzwischen hat die Eigenmarke von REWE den Zusatz Bio und eine neue Tüten-Verpackung, ist aber immer noch am günstigsten von allen Sorten und schmeckt. Dazu muss ich noch erläutern, wie ich meinen Kaffee zubereite, der bisher allen ausgesprochen gut geschmeckt hat: ich mache das Espressopulver in eine French Press, eine winzige Prise Salz dazu und gieße mit kochend heißem Wasser auf, bißchen ziehen lassen, umrühren. In die Tasse kommt schaumig geschüttelte Bio-Sahne (ohne Carragen), die ein hübsches Wölkchen ergibt und drauf den Espresso aus der French Press. Das mit dem Salz ist so eine uralte Sache, nicht meine Erfindung, um die evt. Säure zu neutralisieren, die Kaffee manchmal hat.
Meine Erfahrung mit privatem „Lass uns mal einen Kaffee trinken gehen“ (was mir ungefähr nur ein- oder zweimal in meinem Leben angetragen wurde) ist, dass man sich dann doch eher keinen Kaffee bestellt 🙂
Mensch liebe Gaga, ich wusste gar nicht, dass an Dir eine Barista verloren gegangen ist! 😄
Das hübsche Wölkchen stelle ich mir ganz verführerisch vor 😍 An Supermarkt-Eigenmarken habe ich mich noch nicht heran gewagt – Deiner Expertise vertrauend werde ich mal REWE ausprobieren. Bei mir gibt es in der Regel „Jacobs Dröhnung“ (und nur die Klassische in der grünen Verpackung – die billigere „Meisterröstung“ in der roten Verpackung finde ich fürchterlich.) Oder – wie ein Freund zu sagen pflegt – „Prallmayr Condomo“. Ab und zu auch mal „Idee Kaffee“, weil es den früher auf den Flügen von Air Berlin gab und mir so ein Retro-Flug-Feeling verleiht. In der Luft schmeckte der Idee-Kaffee allerdings besser. Ich glaube sogar, das war Instantkaffee.
Hahaha, ich würde nicht auf die Idee kommen, mich mit Dir auf einen Kaffee zu verabreden 😄🍷🥂
Mensch. Ich verstehe. Deswegen klappt es mit uns nie spontan. Ok, ich ändere die Strategie. Und zum Kaffeethema habe ich – als ALTE (!) Kaffeetante – auch etwas beizutragen: Früher wurde man bedient, wenn wir uns auf einen Kaffee verabredet haben. Heute steht man ewig an und zahlt 20 x mehr als sogar das draußen-nur-Kännchen von früher gekostet hat. Und dieses alberne Namengetue! Das gehört unbedingt zur Kaffeestory.
Schön, dass deine Kolumne wieder da ist! FREUDE!
Danke liebe Montagsmarie! 😍 Du musst jetzt aber wegen mir nicht anfangen, Alkohol zu trinken 😂 Spannende Gespräche lassen sich auch beim Nudeln- oder Eis-Essen führen 😜
Oooh jaaa, das Namengetue! 😂 Die vielen Kaffee-Namen würden eine eigene Kolumne für sich beanspruchen. Schon mal einen Sugar-Free Hazelnut Decaf Soy Milk Ristretto Flat White with Extra Dry Foam and a Pump of Pumpkin Spice getrunken? Da lob ich mir meinen Tante-Inge-Kaffee 😄☕️