Ich bin kürzlich in einem von mir geschätzten Blog (https://gaganielsen.com) auf den Film „Monpti“ von 1957 gestoßen. Sofort sah ich mich, wie ich als Kind in den frühen Neunzigern vorm Fernseher die beiden jungen Hauptdarsteller Romy Schneider und Horst Buchholz anschmachtete. Die 19-jährige Romy hatte sich für die Rolle ihre brünetten Haare blond färben lassen. Beide Schauspieler sollten noch Weltkarriere machen.
Mit 19 hatte ich zwar naturblonde lange Haare, doch ich wollte zum Start meines Studiums eine Typveränderung und begab mich als Haarmodel bei „Vidal Sassoon“ in der Schlüterstraße Ecke Ku’damm in die Hände eines besonders experimentierfreudigen Friseurs. Das Ergebnis waren platinblonde – er nannte es „perlmuttblond“ – raspelkurze Haare. Sie waren so unglaublich hell, dass ich mich in den Schaufenstern des Ku’damms leuchten sah, als ich abends im Dunkeln nach sechs Stunden den Salon verließ.
Manche erinnerte die Frisur an die Sängerin der Band Roxette. Ich ließ die Haare noch ein bisschen wachsen, es ging dann eher in Richtung David Bowie oder Billy Idol.
Das Wasserstoffblond war jedenfalls so hell, dass der eigentlich mittelblond nachwachsende Ansatz dagegen schwarz wirkte, so wie der Ansatz von Madonna in den achtziger Jahren. Das gefiel mir gar nicht, also beschloss ich, meine Ansätze regelmäßig färben zu lassen. Aus Eitelkeit musste es schon so alle drei, spätestens vier Wochen sein. Da das natürlich bei Vidal Sassoon ins Geld gehen würde und ich mir das mit meinem Studentenjob nicht leisten konnte, fiel meine Wahl auf den Salon Buschmann in der Giesebrechtstraße. (Ich wohnte damals in Charlottenburg).
Salon Buschmann war ein alteingesessener Friseur mit erstaunlich günstigen Preisen, der hauptsächlich von Omas und Opas aus dem Kiez aufgesucht wurde. Rechts vom Tresen war der Raum für die Damen, links vom Tresen der Raum für die Herren. Der Saloninhaber Herr Buschmann war ein liebenswürdiger älterer Herr mit schwarzen (vielleicht gefärbten?), pomadierten Haaren und schwarzem Anzug. Er begrüßte mich immer mit „Fräulein Saskia“ und machte beim Handschlag eine leichte Verbeugung. Seine auch sehr freundliche Ehefrau, die manchmal im Salon vorbei schaute, sah aus wie Hannelore von Heino.
Eigentlich habe ich da nie einen anderen jungen Menschen gesehen. Außer den beiden Friseurinnen Heike und Namensvetterin Saskia, mit denen ich mich anfreundete. Bei der Häufigkeit meiner Besuche ging das recht schnell. Beim Auftragen der Farbe auf meine Ansätze tauschten wir uns über unser Liebesleben aus. Heike sprach dabei besonders laut und ohne Scham, während um uns herum die alten Damen unter den Trockenhauben saßen, die BUNTE oder das Goldene Blatt lasen und dabei die Ohren spitzten.
Während Vorlieben und Marotten aktueller Intimpartner über die Föngeräusche hinweg diskutiert wurden, sprangen meine beiden Friseurinnen hin und wieder zur Seite, um irgendwo Lockenwickler rauszunehmen oder hier und da ein Gesichtshaar zu zupfen. Saskia entfernte immer ganz liebevoll mit einer Pinzette die Kinnhaare einer uralten Dame, die dabei zufrieden lächelte.
Eines Tages erzählten mir Saskia und Heike, dass Horst Buchholz Stammgast bei Herrn Buschmann sei. Ich war begeistert und erzählte ihnen, wie toll ich als Kind den Film „Monpti“ fand und dass ich auch seine anderen Filme „Die Halbstarken“ (dadurch wurde er in den 50ern zum „deutschen James Dean“), Billy Wilders Kultkomödie „Eins, zwei, drei“ und den Hollywood-Western „Die glorreichen Sieben“ gesehen hatte.
Beim nächsten Mal erzählten mir meine beiden lieben Friseurinnen, dass sie Horst Buchholz von mir erzählt hätten, auch dass ich eine angehende Schauspielerin sei und dass er mich grüßen lasse. Ich freute mich sehr und ließ ihn auch grüßen. So ging das hin und her. Das Schicksal wollte es, dass wir nie im Salon Buschmann aufeinander trafen, uns aber im Laufe der Zeit immer gegenseitig grüßen ließen über unsere beiden Friseurinnen. Diese gaben mir einmal sogar eine Autogrammkarte, auf der er einen Gruß für mich hinterlassen hatte. Ich erinnere mich, dass sie mir auch mal ganz leise erzählten, dass er gestürzt sei und eine Platzwunde am Kopf hatte.
Irgendwann hörte ich von Heike und Saskia, dass Horst Buchholz sehr krank geworden war. Und eines Tages sah ich ihn. Auf dem Ku’damm, im Rollstuhl fast verschwindend, von seiner Krankheit gezeichnet. Neben ihm ein Pfleger. Ich stand in einiger Entfernung und überlegte, ob ich hingehen soll. Ihm sagen soll, dass ich Saskia bin und dass ich mich immer so über seine Grüße gefreut habe. Aber ich traute mich nicht. Außerdem fragte ich mich, ob es ihm überhaupt recht wäre, wenn ich ihn so sehe und anspreche.
Die Antwort werde ich nie erfahren. Kurz darauf, Ende 2003, ist er gestorben. Ich habe mir damals geschworen, künftig jedem, den ich für seine Arbeit bewundere und der mich inspiriert, das zu sagen, wenn ich ihm begegne. Gerade wenn es ein älterer Mensch ist. Aber letzteres ist Quatsch – auch junge Menschen freuen sich über Anerkennung und das Leben ist unberechenbar.
Ich habe gelesen, dass Horst Buchholz‘ Sohn Christopher damals einen Dokumentarfilm über ihn gemacht hat. In dem er seinen Vater mit dessen Alkoholsucht konfrontierte, aber auch mit seiner Entscheidung, die Familie wegen eines anderen Mannes zu verlassen. Das alles wusste ich nicht, als wir uns ganz unschuldig über unsere gemeinsamen Friseurinnen grüßten.
Herr Buschmann ist irgendwann auch gestorben und Saskia hat seinen Salon übernommen. Wir haben uns aus den Augen verloren, weil ich damals nach Mitte gezogen bin. Den Salon Buschmann gibt es nicht mehr – da ist vor ein paar Jahren eine Apotheke eingezogen.
Auf Horst Buchholz’ Grabstein und auf der Berliner Gedenktafel an dem Haus im Prenzlauer Berg, in dem er aufgewachsen ist, steht sein Lebensmotto: „Liebe die Welt, und die Welt wird dich lieben.“ Ein schöner Gedanke.
Aber sehr Billy Idol…..! 🙂
Zauberhaft geschrieben, das sind Begebenheiten, die ich gerne in einem Blog lesen möchte. Mir ein Rätsel, dass Du jetzt erst damit angefangen hast, Du hast so eine schöne, unaffektierte Schreibe.
Eine Fernbeziehung zum großartigen Hotte Buchholz via Friseursalon. Wie schön. Ich war mal in dem von Dir erwähnten Film, 2005, als er ins Kino kam. Hier https://www.flickr.com/photos/gaganielsen/albums/1408226/ ein paar Eindrücke.
P.S. ich wollte Dich auf facebook fast darum bitten, doch die Autogrammkarte zu zeigen, da hatte ich noch nicht gesehen, dass Du sie hier gepostet hat. Was waren die früher schön, die Autogramme. Wenn ich wieder in den Schätzen meiner Mama stöbern kann (sind in Süddeutschland), finde ich vielleicht auch ihre Autogrammsammlung und womöglich auch eins von Horst Buchholz!!! Du wirst es dann als Erste erfahren <3
Danke liebe Gaga für dein schönes Feedback! Die Idee zu der Kolumne kam mir ja durch den Tagebucheintrag deiner Mama 1957 über „Monpti“ – danke für die Inspiration! 😄
Und danke für die sehr atmosphärischen Impressionen vom Doku-Film – wie toll, dass du die eingefangen hast!
Ich freu mich schon und bin sehr gespannt auf die Schätze, die du in der Sammlung deiner Mama finden wirst! 😍
Haha liebe Sassi,nicht mal jetzt wo ich weiss dat Du es bist hätte ich Dich erkannt hihi. Aber flott flott bist ums Eck gekommen.👍👍Schön dat Du jetzt so n Blog hast. Hoffentlich bist Du bald wieder auf den Beinen.🍀🍀Liebe Grüsse schickt Dir dat Yvonnchen.
Haha, ganz lieben Dank, liebes Yvonnchen! 😍🙌🌸🫶
Herrlich, ich erinnere mich noch genau, wie Du uns mitgeteilt hast, dass Du jetzt wie Brigitte Nielson aussehen würdest. Ein Friseurunfall! Ich dachte: Oh Gott!!! Wobei Brigitte Nielsen sich ja sehen lassen kann. Dann wurde das Foto von Dir nachgereicht und ich dachte: O.k.- sieht gut aus. Da kann man nicht meckern, wie der Brandenburger seine höchste Wertschätzung ausdrückt.
Ja, und an die Horst Buchholz- Geschichte erinnere ich mich auch noch genau, als Du sie uns ganz stolz erzähltest. Und irgendwie war ich auch ganz stolz auf Dich und Deine besondere „Bekanntschaft“. Welche Frau zwischen 16 J. und 90+ fand Horst Buchholz nicht begehrenswert? Tja, mit unserer Saski war/ ist es nie langweilig.
Es ist schöööön, dass es Dich gibt.💋💋💋🥰💓🧡💛💚🙋♀️
Danke, liebe Maman!! 🫶 Ich erinnere mich, wie Ihr mich damals aufgemuntert habt wegen der Haarfarbe ☺️ Schön, dass es EUCH gibt!! ❣️❣️❣️🙌🥰
hübsche Geschichte und schön geschrieben 👍
Vielen Dank, liebe Chantal!