Heute ist in den USA „Zerdrücke-eine-Dose-Tag“ (Crush a Can Day). Was die immer für Ideen haben. Aber es ist ja für einen guten Zweck, denn es betont die Bedeutung des Recycling. Meinetwegen waren meine Eltern mal gezwungen, 68 Dosen an einem Abend zu zerdrücken. Wie es zu diesem unvergesslichen Ereignis kam? Dazu muss ich kurz ausholen.
Ich war ein DDR-Kind, geboren im sogenannten Speckgürtel von Berlin, in Brandenburg an der Havel. Manch einer kennt Brandenburg als Geburtsstadt des berühmten Humoristen Loriot alias Vicco von Bülow. Ich habe dort meine Kindheit verbracht und wie die meisten sehnte ich mich nach Westprodukten, vor allem nach den Süßigkeiten. Nicht falsch verstehen – im Osten gab es natürlich auch Süßigkeiten. Aber die waren nicht fancy.
Als ich sieben Jahre alt war, kündigten mein Großonkel Willi und sein Schwiegersohn Onkel Hugo aus Hannover ihren Besuch an. Beide hatte ich zuvor noch nie gesehen. Meine sechs Jahre ältere Schwester und ich freuten uns riesig und waren aufgeregt wegen des Besuchs aus dem Westen. Meine Eltern putzten unsere Plattenbauwohnung mehr denn je. Kurz vor dem Besuch schnappte ich ein Gespräch meiner Eltern auf, dass Onkel Hugo arbeitslos geworden war. Darüber war ich sehr bestürzt. Wir hatten in der Schule sogenannten Heimatkunde-Unterricht. In meinem Heimatkundebuch war ein Foto, das eine Situation im Westen zeigte. Menschen, die Schlange standen vorm Arbeitsamt. Im Osten gab es offiziell keine Arbeitslosigkeit. Ich hatte solches Mitleid mit Onkel Hugo und musste an das Foto von den Arbeitslosen in der Schlange denken. Ich erinnere mich, dass ich vor der Ankunft unseres Westbesuchs ganz viel für Onkel Hugo gebastelt habe – Kastanien mit Streichhölzern als Männchen und so, die er mit einer Mischung aus Irritation und Rührung entgegen nahm. Zu meiner großen Freude und Überraschung brachten uns Onkel Willi und Onkel Hugo drei Paletten Coladosen mit. Coca Cola. Wir hatten keine Coca Cola in der DDR. (Außer in sogenannten „Intershops“, wo man Westprodukte mit Westgeld kaufen konnte, was meine Eltern aber nicht hatten.)
Die DDR-Cola hieß Club-Cola. In Glasflaschen. Aus heutiger Sicht ganz schön öko und nachhaltig. Sie schmeckte gut, aber ich sehnte mich nach Coca Cola. Als Onkel Willi und Onkel Hugo wieder weg waren Richtung Hannover, hatten wir also diese drei Paletten Coca Cola. Ich kannte bis dato keine Dosen. Meine Eltern gaben meiner Schwester, mir und sich selbst jeweils eine Dose. Nur eine – denn das kostbare Getränk sollte natürlich noch lange reichen. Ich war begeistert wie es zischte, als jeder seine Dose aufmachte.
Am nächsten Tag war ich mit einem Kumpel aus meiner Klasse allein zu Hause nach dem Unterricht – meine Eltern waren arbeiten und meine Schwester war noch in der Schule. Ich stiftete meinen Kumpel an, die Coladosen zu öffnen – alle Dosen. Ich wollte es einfach knallen lassen! Und wir öffneten alle drei Paletten. 68 Dosen. Peng Zisch Bäng! Das war ein Spaß!
Meine Eltern waren geschockt, als sie nach Hause kamen. Und sehr traurig, denn die Kohlensäure würde ja bald rausgehen aus der Cola. Was für eine Verschwendung! Und wann würden wir je wieder Coca Cola kriegen?! (Konnte ja keiner ahnen, dass bald die Mauer fallen würde.) Also entschieden sie, soviel Cola wie möglich zu trinken an dem Abend. Ich erinnere mich nicht mehr, ob meine Eltern, meine Schwester und ich alle 68 Dosen getrunken haben – aber es war definitiv eine ganze Menge! Meine Eltern habe ich seitdem nie wieder Cola trinken sehen.
Coca Cola und meine Lieblingskekssorte Oreo haben übrigens jetzt im September ein Gemeinschaftsgetränk rausgebracht als „Limited Edition“. Ich liebe Oreo Kekse, keine Frage. Aber Oreo-Cola? Klingt schräg.
Warum muss immer alles mögliche kombiniert und fusioniert werden und ist Kombi automatisch doppelt besser? Ich kann es mir nicht vorstellen. Aber ich bin einfach zu neugierig! Die Dose steht vor mir. Und zur Feier des Tages lasse ich sie jetzt knallen. Bevor ich sie zerdrücken werde, versprochen.
Peng Zisch Bäng!
„Crush a Can Day“: was so alles drüben gibt 😎
„Und wir öffneten alle drei Paletten. 68 Dosen. Peng Zisch Bäng!“: 🙈😂😂😂
Du warst ja erst sieben… und heute ist es eine schöne Anekdote zum Bloggen, insofern auch „nachhaltig“.😃
Vielen Dank, liebe Gaga! 😍