Mein Freund und hoch geschätzter Musikerkollege M. hat mir neulich die Masterdatei seines kommenden Albums geschickt, zum Vorab-Hören. Ich hörte mich durch das Werk, war begeistert und ergriffen, sah Rezensionen im Rolling Stone vor mir und Chart-Platzierungen. Dann hörte ich in einer wunderschönen Ballade, wie er von blauen Katzen sang. Kurze Irritation. Das letzte Lied, das ich geschrieben habe, und das wir zusammen vor einigen Monaten live gespielt haben, fängt an mit der Zeile: „Weißt du noch, als der Mond so rund war wie ein Käsekuchen und die Katzen blau“. Diese Worte hatte ich schon vor ein paar Jahren zu Papier gebracht – sie kamen eines Nachts plötzlich „angeflogen“ – und es hat ewig gedauert, bis daraus mein Lied „Sandburgen“ wurde, wunderschön von M. am Klavier arrangiert und begleitet – das aber noch darauf wartet, im Tonstudio aufgenommen zu werden. Auf die blauen Katzen war ich heimlich stolz, denn bekanntlich sind Katzen ja nachts grau – aber meine sind blau, was für ein origineller Kniff! Nun begegnete ich also blauen Katzen in den neuesten Aufnahmen meines lieben Musikerfreundes. Ich überlegte, ob ich M. in meinem begeisterten Feedback zum kommenden Album schreiben sollte, dass ich mir Sorgen mache, dass aufmerksamen Hörer*innen die Dopplung der blauen Katzen auffallen könnte, wenn ich erstmal mein Lied rausgebracht hätte, was ja in der Historie älter sei – aber was natürlich erst irgendwann nach seinem Album-Release erscheinen würde. Aber was wollte ich damit bezwecken? Ihn dazu bringen, aus den blauen Katzen graue oder pinkfarbene zu machen? Ich schämte mich für meine Eitelkeit. Und entschied mich, ihm nichts über die blauen Katzen zu schreiben. Es würde bei all meiner Begeisterung über das Album ein Geschmäckle bleiben.
Ich musste an Taylor Swift denken. Sie hat sich vor Jahren schon einzelne Textzeilen und sogar einfache Wörter patentieren lassen. Wie zum Beispiel „this sick beat“, „1989“ (hä?) und erstaunlicherweise „Nice to meet you. Where you been?“. Würde sie sich auch „and the cats were blue“ schützen lassen? War ich nun die Taylor Swift der blauen Katzen? Vielleicht hatte ich M. ja unbewusst inspiriert – wäre das nicht ein schönes Kompliment? Und wie oft habe ich mich schon bewusst oder unbewusst inspirieren lassen? So mancher Song ist beim Aufschnappen von Gesprächsfetzen oder Lesen von Zeitschriftenartikeln oder durch Gespräche mit Freund*innen über unser (Liebes)Leben entstanden. Ich frage mich, ob Kreativität völlig losgelöst von Inspiration entstehen kann. Nee. Gibt es überhaupt (noch) Originäres? In meinem Lieblingsradiosender Jam FM höre ich morgens fast kein Lied, das nicht gecoverte Elemente aus den 90ern und 2000ern hat. Gestern bin ich vor Schreck fast ausgerutscht in der Dusche, als eine Coverversion des 90er-Jahre-Dance-Hits „The rythm of the night“ der Sängerin Corona (!) in der Morning Show ertönte. Mein Gott. Übrigens hat M. mal vor Jahren über „blaue Erbsen“ gesungen. Vielleicht hatten mich ja seine blauen Erbsen damals unbewusst zu meinen blauen Katzen inspiriert? Wer weiß. Vielleicht sollte ich meinem empfindlichen Swift’schen Alleinstellungs-Anspruch irgendwann mal auf den Grund gehen. In einer Welt voller Cover, Kopien und Adaptionen wäre das sicher sinnvoll. Aber erstmal ziehe ich mir den guten alten Tom Waits rein, den finde ich manchmal bei einem Glas Rotwein ganz inspirierend! Bei ihm ist der Mond übrigens kein Käsekuchen, sondern eine Grapefruit.
Ich hab gerade mal „blaue Katzen“ gegoogelt. Oh, ich scheine doch kein Patent auf diese zu haben. Kindergeschichten, Kriminalgeschichten, Songs – ach herrje!
Blaue Katzen sind anscheinend überhaupt nichts Besonderes. Wie gut, dass ich M. nichts von meiner Befindlichkeit geschrieben habe! Aber da wären wir beide uns bestimmt einig: „Blau“ lässt sich gut reimen und ist einfach cooler als „grau“.
Ich freu mich jedenfalls sehr auf sein Album-Release und wünsche ihm, dass er damit erneut die Hörerherzen erobert!
Musste gerade darüber schmunzeln, dass Dich Deine putzige kleine Eitelkeit davon abgehalten hat, den aufstrebenden Künstler, der sich so gerne bzw. eventuell von dir inspirieren lässt/ließ, zu promoten und zu verlinken 🙂 Ich versteh Dich schon, wenn man so eine auffallende Inspiration erkennt, ist es einfach netter, wenn der inspirierte, mit einem persönlich bekannte Künstler einem eine inspirierte Message schickt à la: „Saskia, als ich neulich bei unserem Gig die Zeile mit den blauen Katzen hörte, ließ mich das Bild nicht mehr los und ich hab es in meinem neuen Song „Trallala“ auch verwendet – DANKE!!!“
Das sind halt auch Stil-Fragen. Was Lustiges dazu: ich war in Jenny Kittmanns neuer Show in der Wabe und hörte wie immer gut ihren Texten zu. Eine Zeile von einem Lied sprach mich besonders an (mir leider gerade entfallen, ging glaube ich darum, dass einen ein „Love Interest“ in eine neonbleuchtete Frittenbude einlädt, was für meinen Geschmack nicht so richtig Stil hat, als Ort für ein „Date“, außer man ist vielleicht zwölfeinhalb und weiß es noch nicht besser), ich dachte so bei mir: „Wow! Jenny spricht mir total aus dem Herzen, genauso empfinde ich das auch, Hammer!“ Danach beim Umtrunk lobte ich ihr gegenüber speziell diese Zeile und Jenny lacht mich an: „Aber das hab ich doch von DIR! Das hast Du mir doch mal erzählt und es hat mich dazu inspiriert“. War mir völlig entfallen und hat mich TOTAL gefreut! Allerdings komponiere ich auch keine Lieder, so kann ich mich uneingeschränkt daran erfreuen 🙂
Ich denke mir, dass der Komponist/Texter des anderen blaue Katzen-Songs das einfach total locker sieht und vielleicht als beliebige Phrase, die jedem zusteht, benutzt, auf die keiner einen „Markenrechte-Anspruch“ erheben kann. Und manchmal gibt es ja auch das Phänomen, dass einem etwas durch den Sinn geht, was einem zwar irgendwie ein déjà vu gibt, aber man kann nicht mehr zuordnen, wo man es schon mal gehört hat und sieht auch nicht die existentielle Notwendigkeit, größere Forschungen durchzuführen.
Zuguterletzt gibt es einfach auch Künstler, Songschreiber, die sich prinzipiell überall wie im Supermarkt bedienen. Aber der Witz ist – oder die Pointe: es hört sich dann auch entsprechend unoriginell zusammenstibitzt an. Gilt auch für ein Übermaß von musikalischen Zitaten, wenn man denkt „ah… klingt ein bißchen wie soundso und ein bißchen wie soundso und die und die Akkord-Folge hat man doch auch schon mal SEHR ähnlich bei den Stones (nur ein beliebiges Beispiel) gehört… etc. pp. Das Publikum wird es dann auch entsprechend rezipieren und dem Original den Vorzug geben – oder halt auch in Unkenntnis gut und gekonnt finden 🙂
Übe Dich einfach in Nachsicht, es wird ja voraussichtlich kein Welthit mit Riesen-GEMA-Ausschüttung werden, wo Du als Mit-Urheberin einer Textphrase dann in die Röhre guckst.
Haha, die neonbeleuchtete Frittenbude in Jenny‘s Lied hat mir auch sehr gefallen, liebe Gaga! Dann Kompliment an euch beide: Dir für die Inspiration und Jenny für die tolle Umsetzung!
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass M.‘s blaue Katzen inhaltlich in einem absolut anderen Kontext stehen als die „meinen“. („meinigen“?) Inhaltlich dermaßen anders, dass a) „meine“ blauen Katzen womöglich gar keine Inspiration waren oder es b) so war, wie du es sehr treffend in deinem drittletzten Absatz beschreibst. Ich neige sogar nach einem ausgiebigen Strandspaziergang – liebe Grüße an alle aus Binz – zu a)!
In jedem Fall waren M.‘s blaue Katzen wiederum eine Inspiration für diese Kolumne. Danke, M.! 😻
Das sind schöne und bereichernde Gedankengänge, von euch beiden 🌻 Die ganze Zeit habe ich gedacht, liest Mr. M. das nicht mit? 😉
Wär doch nicht verkehrt, wenn Mr. M. das lesen würde, man kann doch mal laut in verschiedene Richtungen denken 🙂 Allerdings ist meine zwanzigjährige Erfahrung als Blogger-Urgestein: selbst engste Freunde verfolgen nicht alles, was man postet, auch wenn man das schön fände. Bei mir ist es dann noch herausfordernder, weil ich auch noch täglich (mindestens) einen neuen Eintrag veröffentliche, da kommt mancher nicht hinterher. Und es geht so manche Perle unter. So ist es halt. Mich nervt speziell, wenn ich über ein Thema ganz ausführlich geschrieben habe, mit Gefühlsbekenntnissen und allem Drum und Dran, dass wirklich nichts übrig bleibt, was ich noch unter vier Augen beitragen könnte. Und wenn dann die eine oder andere Freundin mir in einer persönlichen Message oder bei persönlicher Begegnung die Frage stellt: Und? Wie geht es Dir so, was machst Du? Da habe ich schon mal auch pampig mit einem Link zu meiner Befindlichkeitsberichterstattung geantwortet 🙂
Ich muss immer noch sehr lachen über deine kleine Offenbarung, dass du Freundinnen auch schon mal einen Link zu deinen Befindlichkeiten geschickt hast. Eine meiner Freundinnen kannte meinen Blog nicht mal. Gut, es gibt ihn erst seit 2 Monaten, aber meine Freundin ist sehr aktiv in den Social Media, deshalb wunderte ich mich. „Waaas – DU kennst meinen Blog nicht?“ – dachte ich. Ja wahrscheinlich WEIL sie so aktiv ist und fast täglich postet, da hat sie gar keine Zeit, sich das Zeug von anderen Leuten anzuschauen, auch nicht wenn‘s Freundinnen sind. Da muss ich wohl verständnisvoll sein.