Heute ist bundesweiter Tag des Schauspiels. Das freut mich sehr, dass meiner Leidenschaft ein ganzer Tag gewidmet ist. „Du bist Schauspielerin? Und… kann man davon leben?“ Das ist eine meiner Lieblingsfragen. „Du bist Mathelehrerin? Und… Kann man davon leben?“ „Du bist Baumaschinenmechatronikerin? Und… Kann man davon leben?“ Würde mich mal interessieren, ob diese Berufsgruppen auch mit dieser Frage konfrontiert werden. Oder: „Muss ich dich kennen? Bist du ein Promi? Ich schau kein Fernsehen. Erst recht kein deutsches, haha! Aber ich kenn dein Gesicht, komisch ! Ich kenn dich doch! Aber dein Name… Mist, den muss ich doch kennen! Wo hast du denn mitgespielt? Sag mal!“
„Haha, nee du musst mich wirklich nicht kennen! Ich hab eigentlich überall schon mitgespielt, also querbeet meine ich, in den Öffentlich-Rechtlichen und Privaten. Auch in Kinofilmen. Aber ich bin jetzt kein Promi oder so, nee nee!“
„Spielst du auch Theater oder nur Fernsehen?“
„Ja, ich spiele auch Theater.“
„Uuund…was machst du lieber – Theater oder Fernsehen?“
Ich mag beides gleich gerne. Früher hätte ich bestimmt gesagt, dass ich Film/Fernsehen lieber mag. Einfach weil ich das Schauspielen vor der Kamera zuerst gelernt habe, mit Anfang zwanzig. Zum Theater bin ich recht spät mit Ende zwanzig gekommen. Und dann habe ich mich in das Spiel auf der Bühne verliebt.
Die technische Umsetzung ist grundverschieden. Die Kamera erfasst jede noch so feine Nuance. Das fasziniert mich immer wieder. Jegliches zur-Schau-Stellen ist zuviel und wirkt in der Kamera unnatürlich. Das kann man bereits sehen, wenn man Filmaufnahmen ohne Ton abspielt.
Die Bühne wiederum erfordert eine körperliche und sprachliche Präsenz, die die letzte Reihe ebenso erreicht wie die erste. Fehler oder Texthänger kann man nicht wiederholen wie beim Film. Es gibt kein „Wir gehen auf Anfang!“ oder „Pick up!“ Man ist dem flüchtigen Moment ausgeliefert. Und natürlich hat man den unmittelbaren Energie-Austausch mit dem Publikum. Im Gegensatz zu Film und Fernsehen hat man in der Regel ausreichend Zeit für Proben und kann seine Rolle im Ensemble entwickeln. Beim Film bereitet man sich meistens alleine vor oder mit einem Coach. Dann kommt man ans Set und muss von Null auf Hundert in der Rolle sein. Präsent und fokussiert sein.
Es ist ein bisschen so wie mit Pizza und Pasta: Ich liebe beides und könnte mich nicht für eine Sache entscheiden. Die Essenz ist die gleiche: die Lust am Spiel. Man ist das Instrument für den zu spielenden Charakter. Nur in zwei völlig verschiedenen Sphären.
Ich denke immer wieder gerne an meine erste richtige Schauspielrolle im Fernsehen. Ich war Anfang zwanzig und hatte eine Episodenrolle in der ZDF-Serie „Unser Charly“. Charly war ein echter Schimpanse. Ich spielte Hella (!), die wasserstoffblonde Sekretärin von Jochen Horst, der damals sehr bekannt war durch die Krimiserie „Balko“. Das war natürlich auch für meine Familie aufregend, dass ich mit Jochen Horst drehte. (Der sehr nett und hilfsbereit zu mir als Anfängerin war.) Mein erster Auftritt in der Folge war, dass ich aufgeregt in meinem Büro im 4. Stock zum Fenster rennen, es aufreißen und in das Gesicht des Affen starrend rufen musste: „Ist das Charly?!“ Der Affe war eine Feuerleiter hochgeklettert, zu meinem Bürofenster. Mein „Chef“ Jochen Horst, mit ein paar Leuten unten stehend, rief zu mir hoch: „Ja, aber er tut Ihnen nichts!“
Ich erinnere mich, dass der Kopf des Affen riesig war und ich Respekt vor ihm hatte.
Ich musste vor dem Dreh einen Vertrag unterschreiben, dass ich in den Pausen keinen Augenkontakt mit dem Affen aufnehmen würde, um das Tier nicht aufzuwiegeln. Der amerikanische Tiertrainer flößte „Charly“ Coca Cola ein – ich war beeindruckt, wie der Affe mit seinen großen Pranken Flasche für Flasche in sich reinschüttete. Ich „vergaß“ irgendwann die Vertragsklausel und schnitt dem Affen liebevolle Grimassen. Wir juxten beide rum – sehr zum Ärger des Tiertrainers, der mich böse anfunkelte. Also wenn irgend etwas den Affen aufgewiegelt hätte, dann ganz sicher nicht unser gemeinsames Rumalbern, sondern die Unmengen von Koffein, die er verabreicht bekam! Mir wurde verraten, dass es sich um drei Affen handelte, die „Charly“ spielten und dass diese in einer Villa am Sandwerder wohnten, einer feinen Adresse am Wannsee, eine meiner Lieblingsgegenden. Den Wohnsitz hätte ich gerne mit den Affen getauscht. Und die Rolle auch – denn sie standen im Mittelpunkt und konnten ständig drehen. Ich war glücksdurchflutet, vor der Kamera zu spielen und wusste: „Das will ich weiter machen und immer mehr davon!“
Ich weiß noch, wie ich nach dem Dreh beschwingt durch meinen Supermarkt schwebte und wie schön ich mein Fernseh-Make-Up fand, das ich natürlich nicht hatte abschminken lassen von der lieben Visagistin.
Apropos – ohne die vielen Gewerke, die an einer Fernseh- oder Filmproduktion hängen, von der Kostümfrau über den Tonangler bis zur Set-Runnerin – nicht zu vergessen Casting, Redaktion, Schnitt und die vielen anderen Bereiche – würde auch das beste Spiel nicht auf dem Bildschirm sichtbar sein.
Ab morgen schlüpfe ich wieder in mein legendäres Huhnkostüm für das Theaterstück „Pettersson und Findus“ und werde in den nächsten Wochen von der Bühne in leuchtende Kinderaugen schauen.
Der Spieltrieb ist uns angeboren. Er hat seinen Ursprung im Hirnstamm, im periaquäduktalen Grau, auch „zentrales Höhlengrau“ genannt. Es ist evolutionär eines der ältesten Teile unseres Gehirns. Wir alle haben Türme aus Bauklötzen gebaut, Kaufmannsladen oder Verstecken gespielt. Und wir alle sind als Kinder in andere Rollen geschlüpft, waren mal Prinz oder Prinzessin, Feuerwehrmann oder Ärztin. Im Laufe der Zeit unterdrücken die meisten Erwachsenen ihren natürlichen Spieltrieb.
Wann, wenn nicht heute am Tag des Schauspiels, mit den Augen eines Kindes durch die Welt gehen und die Freude am Spiel (wieder-)entdecken?
Um mit Friedrich Schiller‘s Worten zu schließen: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“
„Unsser Charly“? Da werden schöne Erinnerungen wach 🙂 An jedem „Happy Friday“ saßen wir mit unseren beiden Kindern vor dem Fernsehen und haben neben „Unser Charly“ auch eine Folge von „Panda, Gorilla & Co“ gesehen. Dazu gab es immer „Mikado“ (in Süßigkeitsform). Das muss echt laaaaaange her sein, ich denke mindestens 15 Jahre 🙈 Die „Charly“-Folge mit dir haben wir wohl verpasst 😎
Als Laie habe ich gerade viel über die Unterschiede zwischen Theater und Fernseher gelernt, aus der Sicht der Schauspieler*innen. Das sind wirklich zwei völlig unterschiedliche Welten mit ganz anderen Anforderungen.
„im periaquäduktalen Grau“ Na klar, weiß doch jeder 😋
Dir und deiner Familie ein schönes Wochenende 🌻
Vielen lieben Dank, lieber Aras! 🤩 Das klingt nach wunderschönen Familien-TV-Abenden, die ihr damals zelebriert habt! 🫶🏼 Mit Mikado in Süßigkeitsform – herrlich! 😍 Ich schaue nur noch fern (also so richtig meine ich, analog) wenn ich meine Eltern besuche. Dann werden sämtliche Krimis der deutschen TV-Landschaft gekuckt, dazu gibt’s belegte Stullchen, die mit sauren Gürkchen garniert sind. Manchmal auch Eisbecher 😄 Family-TV-Abende sind was Tolles! 💝
Oh…. Lilo hat heute Geburtstag, so ein schöner Zufall….! War mir vorhin bei der Erwähnung gar nicht bewusst…!💋🎀 Ich empfehle zur Feier des Tages Allen einen ihrer schönsten Filme: „Die Zürcher Verlobung“ von Käutner (der auch Regie bei Monpti führte!)
https://www.youtube.com/watch?v=UdwBN17CMAI
(„full movie“ 🙂 )
Mensch, was für ein lustiger Zufall – und ich dachte, Du hättest sie ganz bewusst wegen ihres Jubiläums erwähnt! 🔮🎉 Danke für den Filmtipp! Paul Hubschmid! 😍
Aber ein bisserl hinkt der Vergleich mit den Berufsgruppen Mathelehrerin oder Baumaschinenmechatronikerin schon, weil es im Gegensatz zu diesen beiden Berufen mit „Fachkräftemangel“, so gar keinen Mangel an willigen und qualifizierten Schauspielern gibt. Ein Heer von arbeitslosen Darstellern steht einem winzigen Angebot von Rollen gegenüber, zumal welchen, von denen man dann wirklich auch leben kann – und: für SchauspielerINNEN gilt nach wie vor die Halbwertzeit, ab 35+ wirds schon noch enger mit den Chancen, den Traumberuf auch wirklich regelmäßig praktisch ausführen zu können. Gesichter werden verheizt und frischer Nachschub wird forciert… aber das weißt Du ja eigentlich besser als ich. Ein Modeberuf ist es doch nach wie vor, denke ich. Wenn auch mittlerweile überholt von den Berufsbildern Model und Influencerin. Wer tatsächlich davon leben kann, ohne noch einen anderweitigen Broterwerb zu haben, kann schon als privilegiert gelten. Ich war vor ca. 20 Jahren konsterniert, als ich erfuhr wie vergleichsweise geringfügig das Monatsgehalt für festangestellte Schauspieler am Theater ist, zumindest, wenn sie keinen Namen haben. Große Sprünge kann man damit nicht machen.
Ich möchte aber nicht versäumen zu erwähnen, dass ich in Kenntnis Deines unwiderlegbaren Talents meine, dass es unbedingt seine Richtigkeit hat, dass Du nicht zu dem beschäftigungslosen Heer der Branche gehörst! Nicht Wenige unter den nicht beschäftigten zeichnen sich nun einmal auch durch den großen Willen aus, sich einem Publikum präsentieren zu wollen, haben aber häufig entweder kein Charisma oder eben nur mittelmäßige Befähigung.
Zuguterletzt möchte ich noch Lilo Pulver, diesen Publikumsliebling der Fünfziger zitieren. Sie sagte einmal in einem späten Interview, dass es um als Schauspieler/in erfolgreich zu sein, weniger darauf ankommt, perfekt zu spielen, sondern vielmehr, etwas auszustrahlen, was das Publikum interessiert. Dass man einen Menschen einfach gerne sieht, jemandem gerne zusieht, Freude dabei empfindet. Das ist dann eben die Sache mit dem Charisma, die sich nicht lernen lässt.
Liebe Gaga, danke wie immer für dein konstruktives Feedback. Die Licht- und Schattenseiten liegen in allen künstlerischen Berufen. Und Lilo Pulver – herzlichen Glückwunsch zum heutigen 95. Geburtstag! – hat absolut recht. Ich finde es übrigens bewundernswert, dass sie nach dieser langen Karriere voller Höhen und Tiefen und nach privaten Schicksalsschlägen nie ihren Humor und ihre positive Lebenseinstellung verloren hat!