Ich hab mal irgendwo gehört, dass Leute, die Kolumnen schreiben, insgeheim davon träumen, einen Roman zu schreiben. Aber dazu reicht es dann doch nicht – deshalb schreiben sie ja Kolumnen. Also bei mir ist es ja andersrum. Ich habe nämlich schon einen Roman geschrieben. Gerade erst beim Feudeln der Bücherregale habe ich ihn wieder entdeckt. „Abenteuer im Wilden Westen“ von Saskia Rutner, Klasse 3a, 1988.
Gebundene Ausgabe, kartonierter Umschlag, das Cover: Ein Mädchen mit zwei geflochtenen Zöpfen und Cowboy-Hut. Nicht zu verleugnen, dass ich als 8-jährige ein großes literarisches Idol hatte: Karl May. Ich hatte ja damals keine Ahnung, dass dieser zum Zeitpunkt seiner Romane erstaunlicherweise nie in Amerika gewesen war (erst kurz vor seinem Tod) und dass sein Bild vom „wilden Westen“ allein seiner blühenden Fantasie entsprang, basierend auf den bereits existierenden stereotypen Vorstellungen von „den Indianern“. Und zu Papier gebracht am Schreibtisch in Sachsen. Meine damaligen Vorbilder: Winnetou und Old Shatterhand.
Auszug aus dem Kapitel „Gefangen von den Tataskas und wieder frei“ (16.4.1988)

Wir waren eine gute halbe Stunde geritten, als auf uns plötzlich Indianer zukamen! Ihre Gesichter waren mit Farbe bemalt. Es war Kriegsfarbe. Diese Indianer waren vom Stamm „Tataska“. Die Tataskas waren friedliche Indianer. Doch weiße Banditen, von den Indianern „Bleichgesichter“ genannt, schossen die Büffel der Indianer tot und töteten viele Indianer. Darum gruben die Tataskas das Kriegsbeil aus. Als die Indianer uns sahen, fesselten sie uns und banden uns an den Marterpfahl. Der Häuptling der Tataskas, mit Namen „Weiße Feder“, sprach: „Was suchen diese Bleichgesichter hier? Warum töten sie Männer, Frauen und Kinder?“
Ich sprach: „Wir töten keine Indianer. Wir haben nichts getan. Wir sind die Freunde aller Indianer! Es ist egal, ob sie weiße, gelbe, schwarze, braune oder rote Farbe haben!“
„Wie könnt ihr das beweisen?“, fragte der Häuptling. „Alle Bleichgesichter sind räudige Banditen! Viele von uns haben sie getötet! Howgh.“
„Nein“, sagte ich. „Nicht alle Weißen sind Banditen! Es gibt auch welche, die das friedliche Indianerleben nicht zerstören!
Ich habe bewiesen, was ich auch sollte!“
Meine Gefährten gaben mir recht. Der Häuptling fragte, wie ich heiße. Ich sagte: „Von den Comanchen werde ich ‚Kleiner Bärentöter‘ genannt.“ Da sprach der Indianer in freundlichem Ton: „Ja, ich habe vom „Großen Adler“, dem Häuptling der Comanchen, schon Vieles über dich gehört. Ich freue mich, dich anzutreffen.“ Nun ließ er uns frei. Wir schliefen im Indianerzelt.
Als ich neulich mit meiner kleinen Tochter ein Bilderbuch anschaute, in dem ein Kind ein Indianer-Kostüm trug, war ich kurz verunsichert, wie ich das Bild erklären soll. „Dieses Kind hat sich als indigenes Bevölkerungsmitglied verkleidet“. Oder: „Dieses Kostüm soll einen amerikanischen Ureinwohner darstellen.“ Ach nee, wohl besser: „Dieses Kind spielt einen Angehörigen der First Nations“. Bei meiner Recherche bezüglich politisch korrekter Bezeichnung von „Indianer“ las ich, dass es okay sei, „Indianer“ zu sagen. Die „Native American Association of Germany“ gebraucht das Wort selber, da viele Native Americans es im Alltag und in institutionellen Bezeichnungen verwenden würden. Und: Der Verzicht auf das Wort „Indianer“ würde nicht gleichzeitig zu einem respektvollen Umgang mit dem Kulturgut eben dieser führen.
In den USA mussten gerade Angehörige der „Navajo Nation“ und anderer indigener Stämme Razzien über sich ergehen lassen, da sie fälschlicherweise als undokumentierte Migranten verdächtigt wurden. Auf Anordnung des Ober-Bleichgesichts. Dessen Gesicht allerdings die Farbe einer Karotte hat.
Mein 8-jähriges Ich hat ja bereits geschrieben, dass die Hautfarbe völlig Wurscht ist. Und die Freundschaft hochgepriesen. Respekt, Menschlichkeit und Anstand im Umgang miteinander möchte ich heute hinzufügen.

Mit 8 Jahren den ersten Roman? Respekt liebe Saskia 😊
Ich möchte gerne wissen, was ich so mit 8 Jahren gemacht habe. Auf jeden Fall war ich ganz schlecht in deutsch 😋
Danke lieber Aras! 🤗🙌 Gestern hörte ich zufällig im Radio, dass „Tag der Muttersprache“ war. Da dachte ich wieder mal, wie großartig es ist, wenn Kinder mehrsprachig aufwachsen. Deutsch für ein 8-jähriges Kind stelle ich mir echt heavy vor. Englisch dagegen ist ja schön und easy. Also Kompliment an den 8-jährigen Aras!! 🫶🏼
Ich bin stolz wie Bolle, dass ich in deiner Muttersprache genau 15 Worte sagen kann, die ich ungefragt und ungebeten gerne mal in einem Rutsch aufzähle. Die habe ich innerhalb vieler Jahre gelernt und bin noch nicht darüber hinaus gekommen! 😄
Und Saskia mit Zöpfen ist ja wohl allerliebst!
🥰
Was für eine schöne Geschichte wieder, liebe Saskia! Also Indianer ist ok. Und jetzt kann ich sagen, ich kenne eine Autorin pesönlich! DANKE!
Vielen lieben Dank, liebe Montagsmarie! 😍🙌
Ich muss doch noch eins nachsehen, Saski: Deine einwandfreie Orthographie und Interpunktion mit 8 Jahen!!! Aus heutiger Sicht- sagenhaft. Damals war es für uns normal, denn Du warst ja unser fleißigen, sehr gutes Schulkind. Aber heute schäme ich mich fremd über die Rechtschreibung in Medien, Büchern und auch in der erwachsenen Bevölkerung, wenn manche Leute irgendetwas öffentlich von sich geben.
Und irgendwann wirst Du vielleicht doch noch ein Buch schreiben, Saski. 👍
🫶🥰
Ich hatte gerade ein Dèjá- vu mit einigen Geschichten aus Deiner Grundschulzeit, die alle Deiner sagenhaften Fantasie entsprungen sind. Es war am Kaffee- oder Abendbrottisch, wenn wir als ganze Familie zusammensaßen, immer sehr erheiternd und wir waren beeindruckt und stolz auf unser „Schnattchen“ ( abgeleitet von Schnatterinchen aus den DDR- Sandmann- Sendungen, weil kaum jemals ein anderes Familienmitglied zu Wort kam). Angemerkt sei auch, dass du zu Weihnachten in der 1.Klasse, ihr hattet in der Schule noch garnicht alle Buchstaben gelernt, aber du kanntest schon alle von deiner großen Schwester, ein Winnetou- Buch von ihr gelesen hast. Auch wenn die Mendel’schen Gesetze das nicht hergeben, hast du wohl das Karl- Mey – Gen von Deiner Schwester D. geerbt.😅 So, ganz beseelt von schönen Familienerinnerungen begebe ich mich wieder in den gegenwärtigen Alltag.
Vielen lieben Dank, liebste Maman! Mein großes Schwesterlein ist definitiv „schuld“, dass ich schon in der 1. Klasse „Winnetou Teil 1“ gelesen habe 😄🥰❤️
Entzückend. Auch das Cover ist richtig, richtig toll, du kleiner Bärentöter! 🙂
So lieben Dank, liebe Gaga! 😍 Und solch ein Kompliment zum Cover von einer (nicht nur-)Bild-Künstlerin! 🤩