In diesen Tagen habe ich zum ersten Mal in meinem Leben versucht, Eier auszupusten. Und diese anschließend mit meiner dreijährigen Tochter zu bemalen. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Eier ist mir beim Auspusten zerbrochen, ein Ei ist mir voll ins Gesicht geklatscht und nach dem Bepinseln sah meine Tochter aus wie ein Mitglied der Blue Man Group. Die Farbe ließ sich mit sämtlichen Seifen nicht abwaschen. Panisch telefonierte ich rum, ob mir jemand sagen kann, wie man hartnäckige Eierfarbe abkriegt. Parallel hektische Online-Recherche. In einem Forum wurde tatsächlich Feuerzeugbenzin zum Händewaschen empfohlen. Schlussendlich bekam ich dann doch noch alles abgewaschen dank des hautfreundlichen, baden-württembergischen Spezial-Spülmittels meines lieben Nachbarn.
Kommentar meiner Tochter: „Da haben wir aber nochmal Glück gehabt, Mama.“ Und auf die frisch bemalten Eier zeigend: „Das war richtig toll!“ Nach Luft schnappend knurrte ich: „Stimmt. Perfektion ist Lähmung.“ Perfektion ist Lähmung? Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von Winston Churchill (1876-1965), dem wohl bedeutendsten, auch umstrittensten britischen Staatsmann des 20. Jahrhunderts und einstigen Premierminister des Vereinigten Königreichs. Zum ersten Mal las ich diesen Satz im Alter von 11 Jahren und fand ihn so toll, dass ich ihn zu meinem Mantra auserkor. Und meine Eltern damit jahrelang nervte. Weil er die perfekte Antwort war, wenn ich mal wieder nicht mein Zimmer aufgeräumt, nicht Geige geübt oder nur halbherzig im Haushalt geholfen hatte. Gleichzeitig sorgte der Spruch aber auch für Heiterkeit und er wird auch heute noch in unserer Familie bei passenden Gelegenheiten zitiert. Ich gebe aber zu, dass ich ihn im Laufe der Zeit immer mehr vergessen habe. In welchem Alter fangen wir an, nach Perfektion zu streben? Was ist perfekt und wer definiert es? Nicht nach Perfektion zu streben, heißt nicht, dass man nicht handelt, in Bewegung ist. Aber ein perfekter, vollkommener Zustand bedeutet das Ende jeglichen Wachstums, jeglicher Neuerungen. Was würde Churchill wohl über KI-Werke sagen?
Heute, am 9. April, feiert man übrigens in den USA den Winston Churchill Tag. Das habe ich erst kürzlich irgendwo gelesen und war erstaunt. Tatsächlich wurde Sir Winston-Leonard Spencer Churchill am 9. April 1963 von John F. Kennedy zum ersten Ehrenbürger der Vereinigten Staaten von Amerika ernannt.
Churchill war aber nicht nur Staatsmann, sondern auch Bestseller-Autor, Literaturnobelpreisträger und leidenschaftlicher Hobbymaler. Wer Marrakesch liebt oder sich dorthin träumen möchte, dem empfehle ich Churchills wunderbares Ölgemälde „Turm der Koutoubia-Moschee“. Und sein „Goldfischteich in Chartwell“ kann es definitiv mit Monet aufnehmen!
Trotz seiner Schnarrstimme, seines Nuschelns und eines leichten Lispelns, das er mit Sprechtraining anging, galt er als brillanter Redner. Von seiner Frau und seinen Kindern – die einzigen, die ihn in seinem Büro stören durften – wurde er aufgrund seines zunehmenden Gewichts zärtlich „pug“ genannt: Mops.
„Erfolg ist, von Fehler zu Fehler zu schreiten, ohne den Tatendrang zu verlieren“, so Winston. Ohne diese Beharrlichkeit, ohne diese Entschlossenheit, trotz Rückschlägen und Hindernissen voranzukommen, wäre Churchill nicht zu Hitlers unerbittlichstem Gegner geworden.
In Sachen Frauenwahlrecht und Gleichberechtigung wären wir aber nicht zusammen gekommen, da war er leider arg konservativ. Und das, obwohl seine geliebte Ehefrau Clementine („Clemmie“) Churchill eine engagierte Frauenrechtlerin war. Von der „Schatten-Premierministerin“ musste er sich – zurecht – ganz schön was anhören hinter den Kulissen.
Ich bleibe voller Tatendrang in Sachen Ostereier-Färben und bin bereit für den nächsten Versuch. Diesmal gewappnet mit gesammelten Tipps für erfolgreiches Auspusten und Wasserfarben.
„Wir sind alle Würmer. Aber ich bin ein Glühwurm.“ Hui, eine kleine Scheibe von Winstons‘ Selbstbewusstsein wär manchmal auch nicht schlecht. Glühwürmchen-Leuchtkraft wünsche ich uns allen für die weitere Woche und darüber hinaus! Let us glow!

Habe gerade das Moscheen-Bild von Churchill recherchiert und bin darüber gestolpert, dass es Angelina Jolie gehörte und es seine einzige Arbeit während des Krieges war.
Das Streben nach einer Art Vollendung (ART!), wie man das Ringen um Perfektion auch nennen könnte, ist aus meiner Sicht nicht abschließend eindimensional als undynamisch oder gar lähmend zu verschubladen. Der Wunsch nach einem maximalen Level von Funktion oder Schönheit oder Harmonie ist doch getragen von dem Gedanken einer Ahnung vom Paradies. Einem blühenden Garten, in dem jede Form ihren idealen Platz gefunden hat, jeder Klang erhebend ist. Das ist ein komplexes Thema, philosophisch und auch religiös.
Dein Foto von den sehr reizvoll beklecksten Eiern ist aus meiner Sicht eine perfekte Illustration. Wären die Eier glatt und flächig eingefärbt, wären sie viel langweiliger und würden nicht so berühren, wie Deine Variante mit dem spürbaren human touch.
Vielleicht können wir uns der Idee annähern, dass Unregelmäßigkeiten ein Teil der Vollendung sein können, eine aufregende kleine Dissonanz, ein belebendes Element. Was aber letztlich Perfektion für den Einzelnen heißt, bleibt individuell.
Wenn ich an einem Bild arbeite, werkle, muss ich so lange daran herumtun, bis es den subjektiven Moment der Vollendung gibt, wo ich nichts mehr hinzufügen kann, will, soll. Dann gibt es ein inneres großes „JA!“ Das ist erhebend und erhaben.
Heutzutage sind wir in unserem Bewusstsein doch so fortgeschritten, dass eine Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen (wie sie Georgia May Jagger hat oder auch Seal hat), nicht mehr (wie früher) als mangelnde Perfektion bewertet wird. Im Zeitalter der Anerkennung von maximaler Diversität haben wir hier ein Problem weniger.
Allerdings bin ich sehr beeindruckbar, wenn jemand nach höchsten Höhen strebt, gar Gipfel (insbesondere künstlerische) stürmen will. Runter geht es ja immer irgendwann. Aber eine Sternstunde der Vollendung erleben zu dürfen, ist schon ein Glanzpunkt im Leben. Und durchaus nicht enttäuschend. Das ist höchstens „the day after“, das „was soll nun noch kommen?“ Kann aber auch warme, bleibende Erinnerung an diesen besonderen Moment sein, wo einmal alles stimmte und die Engel zur Seite standen.
Unregelmäßigkeiten als Teil der subjektiv empfundenen Vollendung, „diesem besonderen Moment, wo einmal alles stimmte und die Engel zur Seite standen“ – das hast Du wunderschön geschrieben, liebe Gaga
Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass ich an Angelina‘s Stelle das Gemälde behalten hätte. Aber 11,5 Millionen USD sind natürlich auch nicht zu verachten
Und es war ein Geschenk von Brad Pitt, was er 2011 für läppische 2,95 Millionen USD gekauft hatte. Welches sie aus – ihrer Sicht – verständlichen Gründen gerne loswerden wollte. Hoffentlich hat es nette Besitzer gefunden – ich war leider nicht schnell genug. Winston hat Marrakesch so wundervoll eingefangen 
Ja, Perfektion musste ich für mich auch abschreiben, weil es tatsächlich lähmt. NICHTS ist jemals perfekt. Und Perfektion weckt Aggression, sagte mal einer meiner Trainer.
Super-Story.
Mein Lieblingszitat von vielen von Churchill: „If you are going through hell – keep going!“
Küsse an die Blue-Women-Group!
Danke liebe Montagsmarie!
Das ist spannend mit der Aggression, stimmt!
Danke für das tolle Churchill-Zitat!
Das nehme ich freudig in meinen Winston-Zitate-Koffer! 

